Daily Flip Das Eintracht Tagebuch seit 1999.

Mein Tag in Berlin

Da so ein Pokalfinale ja doch etwas Besonderes ist, gibt’s an dieser Stelle einen kleinen Rückblick meiner Tour in die Hauptstadt. Endlich mal wieder was für die Freunde der “echten” Daily Flips… ;-)

Mein Tag begann um 3.30 Uhr. Nachdem ich mich aus dem Bett gequält und frisch geduscht in mein Zimmer zurückkam (wo trotz dieser Rahmenbedingungen niemand mit mir Schluss machte), stand ich vor einer Entscheidung, die sonst eigentlich nur Frauen zu treffen haben: Was ziehe ich nur an? Das Mitsubishi-Trikot von 1998, das Aufstiegstrikot von 2003 oder doch vielleicht das Trikot vom Wunder gegen Kaiserslautern? Ich entschied mich für das erstgenannte, da ich dabei (in Anlehnung an Andi Möller) vom Feeling her ein gutes Gefühl hatte. Nach einem kleinen Imbiss, wurde ich von meinem hauseigenen Chauffeur nach Frankfurt an den Hauptbahnhof gebracht. Dass wir dabei unter den Augen der Polizei über eine rote Ampel fuhren, wird ohne Folgen bleiben. Hätten wir das nämlich nicht getan, würden wir wahrscheinlich jetzt noch dort stehen. So ein Defekt im Berufsverkehr wäre sicher auch ganz lustig… ;-)

Am Bahnhof stand der ICE schon bereit. In bester Gesellschaft von zahlreichen anderen Eintracht-Fans nahm ich meinen Platz ein. Dem Ereignis angemessen fuhr ich natürlich erste Klasse. Und ich muss sagen: Sehr gemütlich… :-) Nachdem ich meinen Platz noch einmal gewechselt hatte, um einer Gruppe das Zusammensitzen zu ermöglichen, ging’s dann endlich los. Da ich ja alleine unterwegs war, konnte ich mich in aller Ruhe auf meine Mitreisenden konzentrieren. Ganz besonders hervor tat sich dabei die angesprochene Gruppe. Nachdem geschätzte 10 Minuten nach der Abfahrt das letzte Mitglied per Handy vom anderen Ende des Zuges an seinen Platz gelotst worden war (es handelte sich dabei um die Person die mir schon vorher über den Weg gelaufen und meiner Nase mit einem nicht unerheblichen Biergeruch aufgefallen war), packten die Leute erstmal ihre Vorräte aus. Kaffee, Brötchen, Bier, Sekt - das hätte auch für eine Weltreise gereicht. Vielleicht aber gar nicht so dumm. Denn schon recht bald breitete sich die Nachricht aus, dass im Bordbistro kein Bier mehr zu haben war. ;-)
In Fulda stiegen dann auch die ersten Bayernanhänger zu. Das sind wieder die Richtigen: Aus dem fußballerischen Niemandsland kommen, sich einen Bayernschal kaufen und dann glauben, man sei etwas Besonderes. Naja, meine Meinung zu den Bayernkunden werde ich im Laufe dieses Berichts sicher noch öfter äußern.
Die weitere Fahrt verlief abgesehen von einem Fußball-Quiz meiner Mitfahrer recht ruhig. Irgendwann hörte ich ein lautes Husten, erblickte den schon erwähnten betrunkenen Fan und befürchtete schon, dass er mir gleich vor die Füße k… würde. Die Spuren, die sich mittlerweile auf seinem Pullover gebildet hatten, unterstützten diese Befürchtung noch. Glücklicherweise fing er sich aber und ging erstmal eine rauchen…
In Wolfsburg traf ich dann die ersten Promis des Tages. Wenn man die Herren Schiedsrichter Meyer, Rafati und Weiner als solche bezeichnen möchte. Sie waren auf dem Weg zu einer Schiedsrichtertagung die anlässlich des Finales abgehalten wurde.
In Berlin angekommen - es war mittlerweile Viertel nach Neun - verschaffte ich mir erstmal einen Überblick über die Umgebung des Bahnhofs. Dann lief ich zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, wo das Eintracht-Fanmobil gerade seine Pforten öffnete. Von hier machte ich mich auf den Weg zum Potsdamer Platz. An der U-Bahnhaltestelle lief mir mit Olaf Marschall der nächste Promi über den Weg. Nachdem ich mir kurz das Sony-Center angesehen hatte, ging ich in Richtung Brandenburger Tor. Mittlerweile hatte es schon leicht angefangen zu regnen. Ein Zustand, der sich bis zum Abend nicht mehr ändern sollte… Nach einer Stippvisite am Holocaust-Mahnmal traf ich am Brandenburger Tor ein. Auf dem Weg zum Hotel Adlon traf ich mit Handball-Bundestrainer Heiner Brand den nächsten “Star”. Von hier ging ich jetzt zum Reichstag, schaute mir das im Bau befindliche Mini-Olympiastadion an, und kehrte wieder zurück zum Brandenburger Tor. Jetzt lief ich den nächsten bekannten Leute in die Arme: Meinen Sitznachbarn aus dem Waldstadion. Da ich so langsam ohnehin nichts mehr mit mir anzufangen wusste (trotz meiner jahrelangen Erfahrung im mit-mir-selbst-beschäftigen), schloss ich mich ihnen erstmal an. Wir fuhren zurück zum Bahnhof Zoo, tranken erstmal was, trafen weitere bekannte Gesichter aus dem Waldstadion und gingen dann etwas essen. Nachdem mir trotz eines am Nebentisch verspeisten Eisbeins (Zitat: “Das ist Herzinfarkt pur”) nicht der Appetit vergangen war, bestellte ich mir ein Schnitzel. Jetzt saßen wir noch einige Zeit zusammen und machten uns dann auf den Weg ins Stadion. Mittlerweile war richtig was los auf den Straßen, und zwar mehrheitlich dank der Eintrachtfans. Die Eintracht hatte den ersten Sieg eingefahren: Berlin war in unserer Hand!
Am Stadion angekommen regnete es mittlerweile ziemlich stark. Nach dem merkwürdigen Einlass-System und einer noch merkwürdigeren Kontrolle der Ordner (ich musste meine Jacke öffnen, während meine vollgepackten Taschen überhaupt nicht kontrolliert wurden) konnten wir uns endlich unterstellen. Da ich eine Karte für einen anderen Block als meine Mitstreiter hatte, trennten sich unsere Wege nun. Das Damenfinale hatte bereits begonnen als mir die dafür gesperrte Birgit Prinz über den Weg lief. Sie schaute wie schon bei meiner letzten Begegnung mit ihr an der Uni ziemlich mürrisch drein ;-)
Das tat ich ebenfalls als ich an meinem Platz angekommen war. Eigentlich hatte man von dort aus gute Sicht. Eigentlich - denn direkt neben mir war eine 2 Meter hohe Glaswand durch den Block gezogen worden. Die Streben, an denen sie befestigt war, stellten dabei noch das geringste Problem dar. Viel schlimmer war, dass ich im Glas zwar eine wunderschön gespiegelte blaue Laufbahn sah, der grüne Rasen und die darauf befindlichen Akteurinnen aber doch eher im verborgenen blieben. Eine solche Fehlkonstruktion habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Da mir mittlerweile auch noch wahnsinnig kalt war, ging ich erstmal aufs Klo (hier war es wunderbar warm) und kaufte mir dann was zu essen. Als ich zurückkam sah ich gerade noch, wie der 1. FFC Frankfurt nach einer missglückten Faustabwehr von Torhüterin Wissink in Rückstand geriet und kurz darauf auch noch das 0:2 hinnehmen musste. Der Frankfurter Doppelsieg war damit schon mal außer Reichweite. Nach der Siegerehrung ging dann endlich die Vorbereitung auf das eigentliche Finale los.
Die Stimmung in unserem Block war schon jetzt phantastisch und konnte auch nicht durch den lächerlichen Auftritt der Mainzer Hofsänger getrübt werden. Die für unsere Choreographie vorgesehenen Fahnen wurden desöfteren geschwenkt und es war schon vor dem Spiel einfach nur geil. Dann wurde unser Maskottchen Attila an unserem Block vorbeigetragen. Bis dato hatten wir bei seiner Anwesenheit noch nie verloren… Ein nächstes Highlight war der Auftritt von Tankard mit Schwarz-Weiss wie Schnee. Das war Gänsehaut pur! Nachdem auch die Bayern ihr Programm absolviert hatten, kamen dann die Mannschaften zum Aufwärmen. Oliver Kahn wurde mit Jens-Lehmann-Sprechchören bedacht und unsere Jungs natürlich herzlich empfangen.
Nun liefen die Mannschaften ein (das konnte ich sehen, da in unserem Block natürlich alles stand und ich mich dadurch sukzessive von der tollen Glaswand entfernen konnte). Zu Beginn der Nationalhymne wurde zwar noch ein Eintrachtlied angestimmt, was ich irgendwie suboptimal fand, aber was soll’s…
Nun endlich wurde angepfiffen. Während der ersten 45 Minuten ließen wir Frankfurter einen Dauersupport vom Stapel, der sich wirklich sehen lassen konnte. Von den Kunden des Rekordmeisters war hingegen nichts und - ohne Übertreibung - wirklich gar nichts zu hören. Und auf dem Platz boten unsere Jungs ein mitreissendes Spiel. Sie waren ein gleichwertiger Gegner und hätten eine Führung durchaus verdient gehabt. Den Bayern fiel wenig ein, obwohl sie natürlich durchweg die besseren Einzelspieler haben. Nach einer halben Stunde musste Marko Rehmer vom Platz. Irgendwie hatte ich so was schon befürchtet, da er ja immer wieder betont hatte wie wichtig ihm dieses Finale an seinem Geburtstag in seiner Heimatstadt sei. Offensichtlich war er deshalb auch mit nicht hundertprozentiger Fitness an den Start gegangen. Spielentscheidend war es nicht, denn Daniyel Cimen fügte sich nahtlos ein.
In der Pause musste ich erstmal meine Gedanken ordnen. Dieses tolle Spiel hatte ich ja in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet. Sollte hier tatsächlich etwas gehen? Oder war das doch ein zu großer Kraftakt gewesen?
Nach der Pause ging es zwar stimmungstechnisch genauso weiter wie vorher. Nur die Bayern taten etwas mehr. Eine Glanzparade von Oka Nikolov gegen Makaays Seitfallzieher ließ in mir noch mehr Hoffnung aufkeimen. Doch nach knapp einer Stunde gab es die kalte Dusche. Pizarro köpfte nach einer Ecke die Führung. Nachdem der Schreck verdaut war, ging die Anfeuerung für die Mannschaft unaufhörlich weiter. So muss das natürlich auch sein! Wie zu erwarten war, machten sich die Bayern-Kunden jetzt nach der Führung erstmals bemerkbar. Respekt…
Nur fünf Minuten nach dem Gegentreffer lief Benjamin Köhler alleine auf Oliver Kahn zu und wurde kurz vor dem Strafraum von Willy Sagnol zu Fall gebracht. Das Stadion tobte vor Wut, denn der Franzose hatte nicht nur eine Riesenchance zunichte gemacht. Viel schlimmer: Statt Freistoß und Rot für Sagnol entschied Schiedsrichter Fandel auf Weiterspielen! Einen solchen Wutanfall habe ich noch selten bekommen. Friedhelm Funkel sah das ähnlich und wurde auf die Tribüne geschickt. Nach dem heutigen Studium der Fernsehbilder muss ich sagen: Die Szene war sicherlich nicht glasklar zu entscheiden. Aber ich denke, es spricht mehr für Foul als dagegen. Dass Benny Köhler beim Sturz Bekanntschaft mit Sagnols Fuß machte und dabei einen Zahn verlor, war Pech. Aber Sagnols Arm auf Köhlers Schulter - der hat dort nichts zu suchen!
Diese Entscheidung des Schiedsrichters ließ uns - Fans und Spieler - noch mehr zusammenrücken. Die Stimmung war weiterhin sensationell gut. In der Schlussphase setzte die Mannschaft noch einmal alles auf eine Karte. Und um ein Haar wäre tatsächlich der Ausgleich gefallen. Nur eine Wahnsinnsreaktion von Oliver Kahn gegen Amanatidis’ Schuss verhinderte die Verlängerung und die mögliche Sensation. Wenn schon die deutsche Nummer 2 solche Bälle hält, dürfen wir ja von Jens Lehmann noch einiges erwarten…
Kurz darauf war das Spiel vorbei. Die Bayern jubelten, deren Kunden schwenkten ihre Fähnchen und wir feierten unsere Mannschaft: Nikolov - Rehmer, Russ, Vasoski - Ochs, Huggel, Spycher - Lexa, Meier, Köhler - Amanatidis (Eingewechselt: Cimen, Copado, Weissenberger). Diese Spieler hatten ein tolles Spiel geliefert. Mir fallen bald keine Superlative mehr ein. Ich bin zum wiederholten Male in dieser Saison einfach nur stolz auf diese Mannschaft!
Nachdem unsere Jungs sich ihre Medaillen von Angela Merkel abgeholt hatten, die jeden zweiten Spieler mit einer merkwürdigen Anfeuerungsgeste bedacht hatte, wurden die Schiedsrichter geehrt und den Bayern der Pokal überreicht. Dass hier ein gellendes Pfeifkonzert unsererseits alles übertönte, ist uns bei allem Verständnis für Fair-Play wohl kaum zu verdenken.
Unser Team verschwand dann in der Kabine, so dass ich mich dann auch auf den Weg in die Stadt machte. Wie es der Zufall wollte, saß ich in der S-Bahn fast neben Nationalspielerin Celia Okoyino da Mbabi. Mir gegenüber saßen zwei Bayern-Anhänger. Sie sahen in etwa so bedröppelt aus, als hätten sie gerade verloren. Mein Gott, ich bin so froh, dass ich Eintracht-Fan bin. Wenn wir den Pokal geholt hätten, ich wäre aus dem Grinsen gar nicht mehr herausgekommen. Und diese Leute, die haken das einfach so ab. Business as usual, wieder ein Pokal, juhu! Bayern-Kunden - kein Begriff beschreibt diese Geisteshaltung besser. Lieber ein verlorenes Finale als Eintrachtfan als auch nur einen Tag mit solchen Leuten tauschen zu müssen… Eine Ewigkeit später, die Bahn hatte wohl irgendwelche Probleme, traf ich dann am Bahnhof Zoo ein. Ich hatte jetzt noch etwa 6 Stunden bis zur Abfahrt meines Zuges.
Zunächst holte ich mir bei McDonalds etwas zu futtern. Ein Burger um kurz vor Mitternacht - da freut sich die Gesundheit. Zurück am Bahnhof beschwätzte mich ein Obdachloser so lange bis ich sagte: Komm Junge, nimm meine Cola und dann hau ab. Es war ohnehin nur noch ein Schluck drin, so dass mir das dann auch egal war. Jetzt holte ich mir im Supermarkt am Bahnhof erstmal eine Dose Bier und Gummibärchen und schlenderte dann gedankenverloren - à la Franz Beckenbauer 1990 - durch die Straßen von Berlin. Leise melancholische Gedanken an mein einsames Dasein wurden schnell weggewischt. Was für ein geiler Tag… Scheiß auf die Niederlage…
Nach gut 20 Stunden auf den Beinen tat mir mittlerweile alles weh. Meine Beine, mein Rücken, ich war hundemüde. Chris wird verstehen, wenn ich sage: So habe ich mich bislang nur nach unserem Abi-Ball gefühlt… Ich war am Bahnhof natürlich in guter Gesellschaft. Hunderte Eintracht-Fans saßen einfach nur da und pennten. Sobald ich mich hinsetzte, drohte ich auch einfach wegzunicken. Das konnte ich mir aber nicht erlauben. Nicht auszudenken, wenn ich richtig eingeschlafen wäre und am Ende noch meinen Zug verpasst hätte. Also zwang ich mich immer wieder zwischendurch aufzustehen und ein paar Schritte zu laufen. Beim Anblick des einzigen Bayernfans weit und breit - ein älterer Herr mit grimmigem Gesichtsausdruck in Lederhose und Bayerntrikot - wusste ich zwischenzeitlich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Wie arm muss man sein, wenn man sich inmitten von hunderten Eintrachtfans hinstellt und aufplustert, als wäre man etwas ganz besonderes… Naja, auch dieser Depp half mir wachzubleiben. Und als um 5.36 endlich mein ICE einfuhr und ich in meinen Sitz fiel - ein tolles Gefühl. Als dann noch die Schaffnerin kam um die Fahrkarten zu kontrollieren, konnte ich endlich schlafen. Gegen 11 Uhr war ich dann zu Hause, aß eine Kleinigkeit, duschte und pennte bis etwa 17 Uhr. Eine höllische (Tor-)Tour war zu Ende gegangen. Dieses Pokalfinale war ein einmaliges, fast schon magisches Erlebnis. Und ich muss ehrlich sagen, ich fahre lieber nur alle 18 Jahre einmal nach Berlin und genieße das alles wie im Rausch anstatt wie die Bayern jedes Jahr dort zu sein und das Finale als billige Massenware zu erleben. An das Spiel der Bayern wird sich bald kaum jemand mehr erinnern. Wir Frankfurter hingegen werden von dieser Niederlage noch lange zu berichten wissen…

Puh, das war wieder einmal ein langer Text. Nichtsdestotrotz möchte ich mich noch kurz jenen Fans widmen, die nicht in Berlin dabei sein konnten. Da wäre z.B. Chris… Da er leider bei der Bestellung über den DFB leer ausgegangen war, konnte er als nicht-Dauerkarteninhaber nur von zu Hause aus zuschauen. Aber halt, zu Hause war er ja gar nicht. Er zog um des lieben Friedens willen (bitte nicht ganz so ernst nehmen) die Nacht der Museen einem ruhigen Pokalfinale vor. ;-) Ja, ja, die Liebe… Da kann ich mich ja wirklich glücklich schätzen, dass ich die Liebe meines Lebens ebenfalls gefunden habe. Und die akzeptiert nicht nur meinen Fußballfanatismus. Nein, sie unterstützt das sogar immer und immer wieder. Und verlassen wird sie mich auch so schnell nicht, das ist sicher. Also ein Grund mehr sich zu freuen, dass ich das Hochgebirgsmelanom nicht mehr an der Backe habe. Denn dieses Geschöpf hätte nie verstanden, was mir das oben beschriebene bedeutet hat. Ein Hoch auf die Freiheit… :-)

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