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Der WM-Daily Flip: So war's in München

Am Mittwoch machten Chris und ich uns auf den Weg nach München um dort dem Topspiel der Vorrunde beizuwohnen. Saudi-Arabien gegen Tunesien, für so einen Kracher war die Allianz-Arena natürlich gerade gut genug…

Um kurz nach 9 Uhr holte mich Chris mit seiner Mutter - vielen Dank für den Fahrdienst - ab und wir fuhren zum Bahnhof. Zuvor hatte ich noch einige wichtige (wie z.B. eine Liste der Biergärten mit Großbildleinwänden) oder auch weniger wichtige Dinge (wie z.B. die Hymnen der beiden Länder) ausgedruckt. Ich war mit unseren Tickets, der Zugfahrkarte und unseren Weltmeister-Bahncards bewaffnet, die ich alle in dem formschönen und wahrscheinlich offiziell lizenzierten FIFA-WM-TICKET-HALTER um den Hals trug. Chris trug in seinem Rucksack die Verpflegung und Pullover für den Abend.
Am Hauptbahnhof angekommen, machte sich schon ein wenig WM-Stimmung breit. Fans aus Korea, England, Argentinien, Spanien, Guatemala (!?), ein akkreditierter Herr aus Ghana - die Welt zu Gast bei Freunden. Sogar der Herr von der Bahn nahm sich immerhin eine Sekunde Zeit, um einigen koreanischen Gästen zu sagen, dass DAS ihr Zug sei. Irgendwie hatte ich zwar leise Zweifel, dass es wirklich der richtige war, aber gut…
Kurz darauf traf dann auch unser Zug ein, IC 329 in Richtung München. Natürlich hatten wir bemerkt, dass er nicht in der auf dem Wagenstandanzeiger gemeldeten Reihenfolge einfuhr und hatten uns dementsprechend am Bahnsteig platziert. Chris hatte wenigstens für die Hinfahrt Plätze reserviert und so nahmen wir diese auch zielsicher in Beschlag. Mir gegenüber saßen ein paar Engländer, die aufgrund ihrer mit der englischen Fahne lackierten Fußnägel, ihrem Aston Villa-Shirt und der Times im Arm (natürlich mit Wayne Rooney auf der Titelseite) unschwer zu erkennen waren.
Während ich mich erst einmal entspannt zurücklehnte, erledigte Chris einige organisatorische Aufgaben. Zunächst checkte er anhand meiner Biergartenliste und meines Stadtplans, wo wir denn am besten nach unserem Spiel den Auftritt der deutschen Mannschaft gegen Polen verfolgen könnten. Da hatten wir ja nur gut eine Stunde Zeit um von A(llianz-Arena) nach B(iergarten) zu kommen. Nachdem dieses Problem dann einvernehmlich gelöst war, widmete er sich unseren Finanzen. Immerhin hatten wir ja gegen sämtliche AGB verstoßen und unser zweites Ticket für Saudi-Arabien gegen die Ukraine versteigert. Jetzt musste geklärt werden, ob das Geld da war und wir somit unseren Express-Brief auf die Reise schicken konnten. Zwischendrin trank er dann auch noch Förstina-Sprudel - als Vilbeler kann ich das nur verurteilen. Kurz vor Nürnberg, als die Engländer sich schon zum Ausstieg bereit machten, kam dann der erlösende Anruf: Die Kohle war da! Chris brüllte (er kann eben nicht leise telefonieren) ein “Du bist ein Schatz” durch den Zug…
Mittlerweile hatten wir um uns herum Platz, weil alle anderen Fahrgäste schon ausgestiegen waren. Also liefen wir ein wenig mehr in unserem Großraum-Abteil-Zwischending herum. Chris hielt mal kurz die Hand aus dem Fenster des fahrenden Zuges und nicht nur er bekam einen leichten Schock, als diese von einem etwas nah an den Gleisen wachsenden Busch gestreift wurde ;-)
Dann kam eine Durchsage, dass wir leider eine zehnminütige Verspätung in Kauf nehmen müssten. Grund: Der Zug sollte wieder in die “richtige” Reihenfolge gedreht werden und dafür musste eben ein Umweg her! Was das für einen Sinn hatte, weiß ich nicht, aber ändern konnten wir es ja auch nicht. Es dauerte nicht lange und wir standen - und standen, und standen… Dann die erneute Durchsage: “Der Zugchef bekommt gerade einen Befehl diktiert. Wir sind zu weit gefahren.” Unsere Frau am Steuer hatte es tatsächlich geschafft, sich zu verfahren! Nach einigem Rangieren ging dann die Fahrt weiter. Wir zuckelten über eine Nebenstrecke (natürlich immer noch in der “falschen” Wagenreihenfolge) und unsere Verspätung summierte sich. Wir sahen die wunderschöne bayerische Pampa, sahen Sandstürme in der Ferne (wo wahrscheinlich der saudische Mannschaftsbus fuhr), sahen die Medina Moschee (was natürlich auch zu unserem Spiel passte). Und doch kamen wir München merklich näher. Denn wir sahen auch die Disco B2, die wahrscheinlich der ländliche Ableger des P1 ist.
In Augsburg kamen wir dann tatsächlich wieder auf unsere planmäßige Strecke zurück. Nachdem mehrfach klargestellt wurde, dass dies “nicht der Zug nach Dortmund” sei, ging die Fahrt weiter und wir erreichten mit 45 Minuten Verspätung München. Zu meinem Bedauern blieb uns allerdings die Fahrt durch Altomünster verwehrt.
Dann kauften wir erst mal ein paar Brezeln und fuhren mit der S-Bahn zum Marienplatz. Dort sorgten die tunesischen Fans für Stimmung. Wir liefen dann ein wenig durch die Stadt, hörten einem Mann zu, der die Vorzüge seiner Sekte anpries, und fuhren schließlich recht früh ins Stadion. Und man muss schon sagen, die Allianz-Arena sieht schon nicht so schlecht aus. Allerdings steht sie ziemlich einsam in der Gegend rum. Aber die Architektur hat was…
An der ersten Eingangskontrolle fragte mich ein Ordner in gebrochenem deutsch, ob ich denn deutsch spreche. Was er eigentlich wollte, blieb mir verborgen. Vermutlich wollte er einfach nur helfen, weil ich offensichtlich wie ein etwas verloren dastehender Araber wirkte :-)
Als wir dann natürlich ohne die angedrohte Passkontrolle auch die elektronische Ticketüberprüfung passiert hatten, suchten wir unseren Platz. Und das war natürlich die Härte: Reihe fünf, direkt hinter dem Tor, null Überblick - da machten wir erst mal wieder kehrt. Rein interessehalber stiegen wir in den Oberrang hinauf, auch damit Chris ein paar Fotos von der imposanten Arena schießen konnte. Eine nette Volunteuse (oder wie ist die weibliche Form von Volunteer ;-) ) bot sich gleich an, ein Foto von uns beiden zu machen.
Jetzt kehrten wir zu unserem Platz zurück und ergaben uns in unser Schicksal: Eine Partie der zwei wohl unattraktivsten Mannschaften des Turniers auf haarsträubend schwachem Niveau. Und das auf Plätzen, von denen man nicht mal das gegenüberliegende Tor richtig sehen konnte. Mit das beste war noch der Stadionsprecher, der immer sehr gekonnt die Namen der Spieler verlas. Wie lange er für seinen “Mochamätt” geübt hat, möchte ich schon gerne wissen… Da ich ein paar Euro auf die Partie gewettet hatte, machten wir noch das Beste draus: Wir freuten uns, wenn Herr Al-Temyat nicht traf und ebenso als Tunesien in Führung ging. Als die Saudis in der zweiten Hälfte das Spiel allerdings zum 2:1 gedreht hatten, schien der Tag noch eine vollständige Katastrophe zu werden. Bis zur Nachspielzeit. Da schraubte sich Abwehrspieler RADHI JAIDI hoch und köpfte den Ausgleich. Der Ball war etwa 150 Euro wert, was unser Freudentanz denn auch zum Ausdruck brachte ;-) Dann war Schluss und wir liefen so schnell wir konnten zur U-Bahn. Jetzt war unser Blick natürlich auf das Deutschland-Spiel gerichtet. So kamen wir also schon leicht angeschwitzt am Bahnhof an. Als die Bahn einfuhr, zeigte sich die Blödheit mancher Menschen. Denn es ist nicht besonders prickelnd in eine schon viel zu volle Bahn hineingedrückt zu werden. Von vorne kamen (zu Recht) meckernde Kommentare und von hinten kam weiter ein unaufhaltsamer Druck der Massen. Als die Fahrt dann losging war ich heilfroh, dass Chris uns einen Biergarten ausgesucht hatte, der schon nach zwei Stationen zu erreichen war. Nicht auszudenken, wenn wir in dieser Bahn zurück zum Marienplatz gefahren wären…
Da wir nicht genau wussten, wo wir hinlaufen mussten, schauten wir wie eine Gruppe Bayern auch auf einem Stadtplan nach. Die Bayern konnten uns zwar in etwa sagen, wo es lang ging. Sie selber aber suchten offensichtlich DAS Lokal schlechthin. “Irgendwo hier ist noch “a sakrisch guats”, bekamen wir zu hören. Auf dem Rückweg sahen wir ein Hinweisschild des Wirtshauses “Sakrisch Guat”. Wenn die Bayern deutsch sprechen würden, gäbe es solche Missverständnisse sicher nicht :-)
Nach einem recht langen Fußweg fanden wir dann unseren Biergarten. Und mit etwas Glück fanden wir sogar noch einen Sitzplatz. Chris machte sich gleich nützlich und holte erst mal zwei Maß Bier und stellte sich dann ein zweites Mal an um etwas zu essen zu holen. Es gab nur noch ein paar Knochen zum abnagen und Pommes, aber ein leerer Magen verträgt alles. Da das Spiel gegen Polen mittlerweile angefangen hatte, schlangen wir unsere Mahlzeit hinunter. Chris beförderte einen Teil des Essens noch auf sein Shirt, aber dann konnten wir uns ganz auf unser Bier und das Spiel konzentrieren. Halt, erst musste Chris noch ein Foto schießen. Er hatte es auf einen kroatischen Fan abgesehen, der rechts von uns saß. Doch Chris wurde von hinten wohl von einem angetrunkenen Fan gestoßen, die Kamera rutschte ab und er verfehlte sein Ziel völlig. Jetzt haben wir ein richtig unscharfes Bild. So ein Arsch! ;-)
Das Spiel unserer Mannschaft konnte sich bekanntlich durchaus sehen lassen. Nur der Ball wollte nicht rein. Das Ende ist aber bekannt: Odonkor, Neuville - JAAAAAAAAA! Diese eine Szene, der Siegtreffer gegen Polen, ließ die Stimmung endgültig überkochen und brachte mir sogar noch ein wenig Heiserkeit ein. Es war aber auch zu geil! Während der Bundestrainer dann sein Interview gab, mussten wir uns verabschieden. Unseren Zug in Richtung Heimat wollten wir ja schließlich nicht verpassen. So kauften wir uns nur noch etwas Wasser an einer Tankstelle und begaben uns zum Hauptbahnhof. Offenbar hatte die Bahn an diesem Abend einen ICE-Überschuss. Nicht nur, dass sie einen außerplanmäßig in Richtung Nürnberg einsetzte. Nein, auch unser IC 1590 stellte sich als ein ICE heraus. Das nahmen wir gerne in Kauf. Glücklicherweise fanden wir auch einen Platz, denn unser Chris war ja der Meinung, dass man bei einem Zug um 0:36 Uhr auf die Reservierung verzichten könne. Drei Euro gespart, aber um ein Haar auf dem Gang gesessen… ;-) Geschlafen habe ich während der Fahrt kaum. Ich war einfach noch nicht müde genug. Auf meinem Berlin-Trip Ende April sah das noch anders aus. Das hat mich wohl abgehärtet. Der Rest ist schnell erzählt: In Frankfurt HBF noch Kaffee und Croissants gekauft, zwei Euro Wechselgeld geschenkt bekommen, ab in die S-Bahn und von Chris’ Vater nach Hause gebracht. Und so ging ein schöner Tag zu Ende. Der WM zweiter Teil folgt dann am Freitag. Vielleicht sehen wir dann auch mal ein wenig Fußball…

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