Daily Flip Das Eintracht Tagebuch seit 1999.

Fünf Jahre Funkel - ein Rückblick

“Dass Funkel gegen viele Vorbehalte bei den Fans (und auch bei mir) wird ankämpfen müssen, lasse ich jetzt erstmal außen vor und konzentriere mich auf das Wesentliche.” So begann mein Eintrag vom 09.06.2004, dem Tag, an dem Friedhelm Funkel verpflichtet wurde. Ich war skeptisch, wir alle waren skeptisch, selbst die Herren Pröll, Kreuz und Keller waren skeptisch. Doch es hat funktioniert…

Entgegen der Erwartungen schaffte Friedhelm Funkel in seinem ersten Jahr bei der Eintracht den Wiederaufstieg in die Bundesliga. Er hatte - anders als heute hoch gelobte Trainer vom Kaliber Rangnick - die Herausforderung angenommen, eine Mannschaft zu übernehmen, die nach der Ära Reimann am Boden war und mangels Geldes auch wenig Spielraum für Verstärkungen bot. Größen wie Cimen, Husterer, Reinhard, Dragusha, Huber, Lenze, Puljiz, Beierle und Frommer waren im Aufstiegsjahr dabei. Aber auch Spieler, die uns auch heute noch viel Freude bereiten und mit Funkel und dem ganzen Verein gewachsen und einfach besser geworden sind, wirkten am Aufstieg mit: Das Torwart-Trio Menger (heute Trainer), Nikolov und Pröll, Chris, Ochs, Russ, Köhler und natürlich der von Friedhelm Funkel geholte und am meisten unterschätzte Spieler Alexander Meier. Einige von ihnen mauserten sich von unbekannten Zweitligakickern zu heutigen Stammspielern in der Bundesliga. Ein Zeichen für die gute Arbeit des Trainers und dafür, was Kontinuität auf der Trainerbank auch für eine Mannschaft bedeuten kann. Bei unserem damaligen Mitaufsteiger Köln beispielsweise ist von damals nur noch Matthias Scherz im Kader (heute fast 38 Jahre alt und mehr Maskottchen denn Leistungsträger) sowie Podolski, der danach nicht mehr allzu oft für Köln auflief und erst jetzt zurückkehrt. Dazu kommen vier Vollzeit- und ein Interimstrainer, der direkte Abstieg auf Platz 17 in Jahr eins nach dem Aufstieg, zwei Jahre 2. Liga und die laufende Saison. Allein die gesparten Trainerabfindungen und Spielerablösen durch die kontinuierliche Arbeit von Friedhelm Funkel und dem immer sachlich analysierenden und handelnden Vorstand Heribert Bruchhagen haben uns Millionen eingespart. Von der sportlichen Entwicklung mal ganz zu schweigen… Denn die verlief in den vergangenen 5 Jahren mehr als positiv: 2005/2006 stand in der Liga Platz 14 mit 36 Punkten zu Buche. Gerettet war die Mannschaft bereits am vorletzten Spieltag. Zudem gab es den ersten Einzug ins Pokalfinale seit 1988. Das Spiel gegen die Bayern war eines der größten Erlebnisse, die ich in meiner Fankarriere je erlebt habe! Nicht schlecht für einen Aufsteiger…
In der Saison 2006/2007 erreichte die Eintracht erneut Platz 14. Diesmal allerdings sogar mit 40 Punkten. Wenn man davon ausgeht, dass viele Aufsteiger in ihrem 2. Jahr erhebliche Probleme bekommen war das aller Ehren wert. Ganz nebenbei erreichte die Eintracht unter Funkel erneut das Halbfinale im DFB-Pokal. Nicht zu vergessen auch der lang ersehnte Auftritt im Uefa-Cup mit Spielen gegen Bröndby, Palermo, Celta de Vigo, Newcastle und dem denkbar knappen Ausscheiden im letzten Gruppenspiel bei Fenerbahce Istanbul. Auf europäischer Bühne hatte sich die Eintracht zuletzt 1995 präsentiert… Auch in der Saison 2007/2008 gelang Funkel eine Steigerung. Auf Platz 9 liegend hatte die Eintracht mit dem Abstieg rein gar nichts zu tun. Am Ende stand die beste Platzierung seit 1994/1995. Das alles muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen!
Viele Fans beklagen, dass die Eintracht unter Funkel zu einer grauen Maus mutiert sei. Dazu fallen mir drei Dinge ein. Erstens: Wann, mit Ausnahme der offenbar für einige von uns sehr prägenden Zeit Anfang der 90er Jahre, wann war die Eintracht denn dauerhaft an der Bundesligaspitze vertreten? Ein Blick in meine Statistiken genügt, nachzulesen hier: 

In den 60er und 70er Jahren (als die meisten von uns noch nicht einmal in der Planung waren und Fußbälle noch aus Leder bestanden) waren die durchschnittlichen Tabellenplätze 6,0 bzw. 6,8. In den 80er und 90er Jahren waren es schon nur noch 11,5 und 10,3! In der ewigen Tabelle der Bundesliga stehen wir auf Platz 10. Und jetzt? Jetzt leiten einige von euch da draußen aus dieser glorreichen Vergangenheit eine quasi logische und von einem “guten Trainer” auch dauerhaft zu erreichende Rückkehr in den Europapokal ab. Das wäre Platz 5 in der Liga… Europapokalspiele sind und bleiben Highlights - und Friedhelm Funkel hat uns sechs Stück davon beschert!
Zweitens: Nicht nur von unserer eigenen Historie her gesehen, sind wir eigentlich ziemlich genau da, wo wir hingehören. Auch was die Finanzen angeht, reihen wir uns in der Tabelle ziemlich genau hinter den “Besserverdienern” und vor den “Hartz-IV-Empfängern” der Liga ein. Wenn man sich die Tabelle so anschaut, sehe ich mit Köln und Hannover eigentlich nur zwei Vereine vor uns, die wir aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen auch gut hinter uns hätten lassen können. Ich weiß, es ist ein blöder Spruch, aber er ist so verdammt wahr: Wenn sich eine Mannschaft verbessern will, muss zwangsläufig auch eine andere Mannschaft nach unten rutschen. Wir sind vier Jahre lang geklettert, jetzt hat es uns eben mal wieder erwischt. So what…
Drittens: Wir sollten froh sein, dass wir so verdammt grau sind. Man darf zwar von besseren Zeiten träumen, aber man darf auch mal ein paar Jahre zurückdenken. Ich nenne nur ein paar Namen, das sollte bereits genügen. Fanz, Rohr, Jedlicki, Dohmen, Rausch, Leben, Octagon, Varszegi, Woodcock. Und warum musste ich Engelbert Kupka im Juli 2002 auf der Toilette des OLG Frankfurt begegnen? Wir sollten froh sein, dass weder das Wort “Lizenz” noch das Wort “Abstieg” mittlerweile ein wirkliches Thema in Frankfurt sind? Ganz ehrlich, ich bin lieber eine graue Maus als ein bunter Hühnerhaufen!

Sicher, Friedhelm Funkel ist kein Gute-Laune-Trainer wie Jürgen Klopp. Er ist auch kein Selbstdarsteller wie einst Stepi. Er ist auch kein Professor wie Ralf Rangnick und kein Weltverbesserer wie Volker Finke. Er ist der Prototyp eines akribischen, seriösen Arbeiters ohne Glamour. Er steht zu seinen Prinzipien, zieht sein Ding auch gegen Widerstände durch, weil er von seiner Arbeit überzeugt ist. Er ist nicht unbedingt für Überraschungen gut. Doch manchmal ist es auch von Vorteil, wenn man einfach nur weiß, was man an einem Trainer hat. Viele Fans in Frankfurt wussten es nicht…. Natürlich ist Friedhelm Funkel nicht fehlerfrei geblieben. Vielleicht hätte er manchmal personell anders aufstellen müssen, vielleicht gab es aufgrund der vielen Verletzten oftmals aber wirklich keine Alternative. Vielleicht hätte er manchmal eine andere Taktik wählen müssen. Vielleicht hätte er manchmal auch öfter auswechseln sollen (andererseits ist der KSC mit 93 von 99 möglichen Spielerwechseln zur Zeit Tabellenletzter, Funkel hat in der letzten Saison auf Platz 9 stehend ganze 79 Wechsel getätigt, in dieser Saison bei einem ausstehenden Spiel bereits 77 und nur Platz 13 erreicht. Am Ende ist diese Kennzahl vielleicht völlig ohne Aussagekraft!?!?!?) Vielleicht hätte er auch manchmal den Gegner nicht im Vorfeld stark reden müssen (welcher Fan hört schon gerne die bittere Wahrheit, dass der Gegner einfach besser ist und normalerweise gewinnen müsste). Vielleicht hätte er auch das Thema Caio anders angehen müssen und den Brasilianer mal öfter im Spiel testen müssen. Gerade an Caio entzündete sich der Unmut der Fans, der sich zuletzt hochschaukelte und kaum noch zu beherrschen war. Vielleicht, und eigentlich bin ich überzeugt davon, machen auch andere Trainer Fehler. Nur die bemerken wir nicht, weil es uns einfach scheißegal ist, mit welcher Taktik, was weiß ich, z.B. Borussia Mönchengladbach gegen den VfB Stuttgart spielt…
Zuletzt jedenfalls konnte der Trainer machen was er wollte: Es war falsch, er war der Sündenbock und in der aufgeheizten Atmosphäre verpufften selbst sachlichste Argumente. Letztlich war der Druck zu groß, es konnte so nicht mehr weitergehen. Dass Friedhelm Funkel in dieser Situation Heribert Bruchhagen aus dem unlösbaren Dilemma befreite, sich praktisch zwischen den Fans und dem Trainer entscheiden zu müssen, spricht wiederum für den Trainer. Mit seinem Rücktritt macht er den Weg frei für einen Neuanfang, bei dem alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können. Ich hoffe, dass dieser Neuanfang gelingt, egal wer jetzt als sein Nachfolger verpflichtet wird. Ich wünsche mir wie jeder andere Eintracht-Fan auch, dass es in der nächsten Saison wieder bergauf geht. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die Ära Friedhelm Funkel in einigen Jahren in einem ganz anderen Licht erscheinen wird. Friedhelm Funkel hat die Eintracht aus der zweiten Liga nach oben geführt und wieder in der Bundesliga etabliert. Er hat das garniert mit echten Highlights in Pokal und Uefa-Cup. Er hat mit seiner Art die Seriösität, die mittlerweile auch im Vorstand herrscht, perfekt auf den sportlichen Bereich übertragen. Ganz ehrlich: Er war der beste Trainer, den wir seit langer, langer Zeit in Frankfurt hatten. Vielleicht wird das der ein oder andere seiner Kritiker auch noch feststellen.

Daily Flip wird in diesem Jahr 10 Jahre alt. Und ich bin stolz, dass dieser Trainer die zu Beginn angesprochenen Vorbehalte meinerseits ausgeräumt und mich die Hälfte dieser langen Zeit begleitet hat. Ich verbinde viele positive Erinnerungen mit seiner Amtszeit. Das war eine reife Leistung! Vielen Dank, Friedhelm Funkel!

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